Gedenkstätte Mattersburg

Am 5. November 2017 wurde in Mattersburg im nördlichen Burgenland eine Gedenkstätte zur Erinnerung an die ehemalige jüdische Gemeinde eröffnet.

Einige ehrenamtliche Mitarbeiter von HILFE und HOFFNUNG erlebten die denkwürdige und feierliche Eröffnung mit, denn unser Obmann, KR Michael Feyer, war Initiator und Leiter dieses Großprojektes. Er führte jahrelang Gespräche und Verhandlungen bez. der Umsetzung dieses Projektes und konzipierte auch die künstlerische Gestaltung dieser Gedenkstätte.

Geschichte
Mattersburg, bis 1924 Mattersdorf, gehörte mit Deutschkreutz-Zelem, Eisenstadt, Kobersdorf, Lackenbach, Frauenkirchen und Kittsee zu den „Sieben Jüdischen Gemeinden“ des Burgenlandes, hebräisch „Sheva Kehiloth“. Diese Gemeinden erlebten im 17. Jahrhundert einen regen Zuzug, als Paul I. Fürst Esterházy Juden, die vertrieben worden waren, das Niederlassungsrecht in Westungarn gewährte. Sie zählten zusammen bis zu 3000 Personen, die vorwiegend religiös lebten. Die Talmud-Schulen waren über die Grenzen hinweg bekannt, hier lehrten weltberühmte Rabbiner. Mit der Zahlung von hohen Schutzgeldern konnten Juden ihre Existenz und das Recht auf Ausübung ihrer Religion erkaufen. Weitere drei Jüdische Gemeinden im heutigen Südburgenland, Rechnitz, Stadtschlaining und Güssing, befanden sich im Herrschaftsgebiet der Bátthyanis. Die Jüdische Gemeinde Mattersdorf bestand über vier Jahrhunderte, bereits 1527 wurden Juden erstmals erwähnt. Sie war eine der größten Gemeinden und berühmt für ihre Talmudschule. 1851 lebten hier etwa 1500 Juden, ein Drittel der Gesamtbevölkerung. Der 13. März 1938, der sogenannte „Anschluss“, bedeutete das Ende der Jüdischen Gemeinde. Innerhalb weniger Monate wurde die Jüdische Bevölkerung, rund 500 Menschen, gewaltsam vertrieben, enteignet und ausgebürgert. Etwa 100 von ihnen wurden in Konzentrationslagern ermordet. 1940 wurde der größte Teil des Jüdischen Viertels – mit ihm die Synagoge – gesprengt. In den meisten Gemeinden sind lediglich die devastierten Friedhöfe erhalten. Aber selbst dort sind es manchmal nur mehr aus Grabsteinfragmenten zusammen gesetzte Mauern.

Heute
Mehr als 70 Jahre nach Kriegsende, ist man in den meisten Orten, wo ehemals Jüdische Gemeinden existierten, zu einer neuen Gedenkkultur bereit. Als KR Michael Feyer, der bereits vor vier Jahren in Deutschkreutz ein Denkmal initiiert und entworfen hatte, sich mit dem gleichen Ansinnen an Bgm.in Salamon und OAR Aufner wandte, fand er sehr interessierte, unterstützende Partner. Sie erwähnten, dass sich eine Gruppe von Mattersburgern formiert hat, die sich ebenfalls zum Ziel gesetzt hat, eine Gedenkstätte zu errichten. Mit Mag.a Gertraud Tometich, die sich seit vielen Jahren mit der Erforschung der Geschichte der hiesigen Jüdischen Gemeinde beschäftigt hatte und Dr. Peter Berczeller, dessen Vater vor dem Krieg Arzt in Mattersburg gewesen war, hatte es bereits Gespräche dazu gegeben. Heute arbeiten im Verein „wir erinnern-Begegnung mit dem Jüdischen Mattersburg“ Anna Benedek, Johann Gallis, Dir.in Sonja Sieber, Hans Koller, StR.in Rafaela Strauss und KR Michael Feyer an unterschiedlichen Projekten, um den Menschen die Geschichte der Jüdischen Gemeinde näher zu bringen. Mag.a Tometich ist 2016 leider verstorben.

Die Gedenkstätte
Michael Feyer, der die Gedenkstätte entworfen hat: „Bei der Gestaltung war mir wichtig, Bezug auf Gegenwart, Vergangenheit und Zukunftzu nehmen, was ich in Form von drei Stelen zum Ausdruck bringe.
Gegenwart: Erinnerung aufrechterhalten Vergangenheit: Geschichte der Jüdischen Gemeinde
Zukunft: das Böse kann triumphieren, wenn die Mehrheit schweigt
Ein symbolisierter Torbogen, der eng und niedrig ist, soll beim Durchschreiten das Gefühl von Beklemmung, des Verlassens des Heims und die beginnende Shoah vermitteln. Das ausgewählte Material, gerosteter Stahl, deutet das Vergängliche an. Integraler Bestandteil sind vier Sitzbänke, die zum Innehalten und Verweilen einladen.“
Sämtliche Arbeiten, wie Entwurf, Konzeption, Beschaffung von Fördermitteln, Projektleitung und PR wurden von ihm ehrenamtlich durchgeführt. Finanziert wurde die Errichtung der Gedenkstätte von der Stadtgemeinde Mattersburg, mit mehr als der Hälfte der Baukosten, Land Burgenland, Nationalfonds und Zukunftsfonds.

Der Festakt

Am Sonntag, den 5. November 2017 um 11 Uhr eröffnete Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Gedenkstätte auf dem Grundstück der ehemaligen Synagoge im Zentrum von Mattersburg. Bei diesem Anlass wurde auch an die Pogromnacht vom 9. November 1938 erinnert. Isaac Ehrenfeld, Oberrabbiner der orthodoxen Gemeinde Kyriat Mattersdorf bei Jerusalem und Enkel des letzten Oberrabbiners von Mattersburg, reiste mit seiner Frau aus Israel an. Weitere Redner*innen waren Talya Lador-Fresher, Botschafterin des Staates Israel, Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Bgm.in Ingrid Salamon und Dr. Gert Tschögl, Historiker der burgenländischen Forschungsgesellschaft.
Als musikalische Untermalung spielten Aliosha Biz, Geige, und Sasha Danilov, Klarinette.
Der Oberkantor des Wiener Stadttempels Shmuel Barzilai sang das Totengebet „El Maleh Rachamim“.

Wir bei HILFE und HOFFNUNG danken unserem Obmann für seinen großen persönlichen Einsatz, der uns in Österreich hilft, die ungeheuren Geschehnisse der Shoah zu thematisieren und ein würdiges Gedenken an unsere beraubten, vertriebenen und ermordeten jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zu ermöglichen.

(der offizielle Pressetext wurde mit freundlicher Genehmigung stellenweise zitiert)
(Dezember 2017)