Der Krieg in der Ukraine und meine Reise

Die Nachrichten über den Krieg in der Ukraine haben mich vom ersten Tag an sehr beschäftigt. Schnell wusste ich, dass ich nicht länger stillschweigend zusehen konnte, sondern etwas tun musste.

Ich nahm Kontakt zu unserer Bekannten Tanja Berezhnaya in Czernowitz auf – einer Stadt im Westen der Ukraine, der Hauptstadt der Bukowina. Tanja leitet seit vielen Jahren die Organisation “New Family” in Czernowitz und kümmert sich nun mit ihrem Team um die ständig wachsende Zahl von Flüchtlingen aus dem Osten der Ukraine. Wir haben ihre Organisation bereits vor Jahren besucht und sie mit Spenden unterstützt. Auch bei unserem Besuch in der jüdischen Schule in Czernowitz war sie unsere Ansprechpartnerin und Dolmetscherin.

Tanja schrieb am 1. März: In Czernowitz ist es noch ruhig, aber am Abend gibt es Alarm und die Menschen flüchten in die Keller. Es gibt sehr viele Flüchtlinge, und jeden Tag werden es mehr, darunter mehrere tausend Kinder. Bis zur Grenze von Rumänien und Moldawien brauchen die Autos bis zu 2 Tage (normalerweise 1,5 Stunden).

In meiner Firma und im Freundes- und Bekanntenkreis startete ich sofort einen Spendenaufruf. Da ich nur Güter mitbringen wollte, die wirklich benötigt werden, bat ich Tanja, eine Liste zu schicken. Die meisten dieser Waren sind in der Ukraine im Moment nur begrenzt verfügbar: Babywindeln, Hygieneartikel (Duschshampoo etc.), Schlafsäcke, haltbare Lebensmittel (Nudeln, Reis, Öl), Babynahrung, Schokolade, Dosengulasch/-suppen, Dosenleberwurst, Kakaogetränk.

Letzte Woche Freitag konnten wir mit einem ansehnlichen Betrag einkaufen gehen – wir kauften auch fast 40 Stück Schlafsäcke, diese waren ein sehr großes Anliegen aus Czernowitz. Am Samstag in der Früh fuhr ich dann mit einem Arbeitskollegen los – 15 Stunden Fahrt vor uns – die ersten Stunden hauptsächlich auf der Autobahn – ganz im Osten Ungarns und dann in Rumänien weiter auf der Bundesstraße. In der Nacht überquerten wir bei winterlichen Verhältnissen die Karpaten. Etwas erschöpft, aber gut kamen wir in Radauti an – dort wollten wir übernachten, um Tanja am nächsten Morgen an der rumänisch-ukrainischen Grenze Siret zu treffen.

Leider war ihr Fahrer, der eine Sondergenehmigung zur Überquerung der Grenze hatte, krank. Ansonsten dürfen Männer zwischen 18 und 60 Jahren die Grenze nicht überqueren. Deshalb mussten wir in die Ukraine einreisen, um die Hilfsgüter zu übergeben und umzuladen.

Es ist kalt, etwa -1 °C – wir stehen auf einem Parkplatz in der Ukraine, gleich hinter der Grenze bei Siret. Es ist ein Parkplatz des Abschieds: ganze Familien kommen mit dem Auto, zurück in die Stadt fahren die Männer allein. Ihre Frauen, Mütter und Schwestern nehmen die Kinder, kleine Hunde und große Trolleys und stellen sich in der bitteren Kälte auf, um zu Fuß nach Rumänien zu marschieren.  

Ein Anruf von Tanja: Sie können in der Stadt nicht tanken, also sollen wir warten. Wir sehen die Autos kommen, Menschen aussteigen, Frauen weinen und das Militär patrouillieren. Wenig später die erleichterte Nachricht, sie konnten doch noch tanken und sind auf dem Weg zu uns. Müde erzählt uns Tanja, dass es letzte Nacht wieder einen Alarm gegeben hat und sie in die Keller flüchten mussten – eine Militärbasis unweit von Czernowitz wird bombardiert. Die Lebensmittel in der Stadt sind bereits knapp, die Menschen dürfen am Tag nur noch zwei Produkte pro Person einkaufen.

Der Mann, der uns beim Ausladen hilft, ist selbst ein Flüchtling aus Kiew – er ist dankbar, hier zu sein, für die Spenden und die Hilfe. Aber er erzählt uns auch von dem Schrecklichen, Unvorstellbaren – dem Krieg in seiner Heimatstadt.

Mit Tanjas Hilfe kamen wir dann recht schnell wieder zurück über die Grenze – vorbei an den Autos, vorbei an den Frauen mit Kindern, die in der Schlange stehen.  Auf der anderen Seite der Grenze ist die Hilfe groß, Zelte verschiedener Organisationen nehmen die Flüchtlinge auf, Helfer tragen die schweren Koffer oder die müden Kinder, Essen und Trinken wird verteilt, Transporte und Unterbringungen werden organisiert.

Wir traten gleich wieder die Rückreise nach Wien an, mit einem leeren Bus aber voll mit Eindrücken – die Fahrt war etwas ruhiger, wir dachten nach, dachten an die vielen Menschen, die aus einem normalen Leben gerissen wurden und nun alles zurücklassen und fliehen mussten.

Wir wünschen uns ein schnelles Ende dieses ungerechten Krieges – bis dahin werden wir weitermachen…. aber auch danach werden die Menschen in der Ukraine auf die Unterstützung von uns allen angewiesen sein.